Gedanken über unser Wappen


von Henning Freiherr von Lützow

Die Form der Leiter, welche unsere Familie heute im Wappenschilde allgemein führt, entspricht nicht mehr der Form, welche unsere ältesten Vorfahren als Wappenzeichen geführt haben. Wir führen heute im goldenen Felde eine schwarze Sturmleiter. In einzelnen genealogisch-heraldischen Werken wird sie auch als Feuerleiter bezeichnet. Das Charakteristische an unserer Leiter sind jedenfalls die beiden oben umgebogenen Enden der Leiter, welche ein Einhaken derselben, voraussichtlich an einer Mauerzinne, gestattet. Ein weiteres charakteristisches Merkmal ist die „schräge“ Stellung der Leiter, welche wohl andeutet, dass die Leiter nicht eine hängende sein soll, sondern dass sie, wenn wir dabei ebenfalls an eine Mauer denken, mit den Haken zwar übergreift, aber angelehnt bleibt. Die Leiter ist heraldisch schräg „rechts“ gestellt, d. h. man denkt sich hinter dem Schild stehend, so dass die Leiter also mit den Haken vor der rechten Schulter liegt. Dass die Leiter auch nach links gestellt vorkommt, beruht nur auf einer Unkenntnis der heraldischen Grundformen. Die Leiter zeigt heute 4 Sprossen, während sie sowohl in ältester, als auch in späterer Zeit bisweilen mit 5, seltener mit 3 Sprossen erscheint. Dass die Leiter, je mehr Sprossen sie erhält, ihre eigentliche Form als Sturmleiter verliert und einer langen Gartenleiter ähnlich wird, ist einleuchtend. 

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Auf den ältesten an den überlieferten Urkunden hängenden Siegeln ist die Leiter stets eine „gerade“ Leiter, es fehlen ihr die Endhaken; sie ist auch hier meist rechts, seltener links gestellt und zeigt 3 bis 5, in den meisten Fällen 4 Sprossen. Von einer Farbenwiedergabe kann selbstverständlich auf den alten Siegeln keine Rede sein. Das älteste mit bekannt gewordene Siegel findet sich auf einer Urkunde vom 23.6.1313, in welcher der Ritter Wipert Lützow als Zeuge des Fürsten Heinrich von Mecklenburg aufgeführt wird. Dieses Siegel ist sowohl im Meckl.-Urk.-Buch Bd. X Seite 655, als auch in den Meckl. Jahrbüchern Jhg. 1887 S. 126 abgebildet. Das Schild zeigt die rechtsgelehnte gerade Leiter mit 4 Sprossen.

Siegel mit einer Helmzier treten erst im nächsten Jahrhundert auf; so zeigt ein Siegel des Johannes Lützow zu Grabow a. d. J. 1456 über dem Schild einen linksgekehrten Helm mit einer in Ranken auslaufenden Art Helmdecke. Die Helmzier ist ein einfacher Vogelflug. Ein Siegel des Marquard Lützow zu Pritzier a. d. J. 1483 zeigt einen von vorn gesehenen Helm mit 3 Federn besteckt.

Hier findet sich also zum ersten Male der Ursprung der 3 Pfauenfedern in unserem heute geführten Wappen, wenn auch in dem Siegel von 1483 die Art der Federn nicht zu erkennen ist; vielleicht sind es Reiherfedern gewesen.

In der nachfolgenden Zeit tritt auf Grabsteinen, Siegeln, Glasmalereien und anderen bildlichen Wiedergaben statt der 3 Pfauenfedern zuweilen ein einreihiger Pfauenwedel mit bis zu 8 Augen, manchmal sogar ein doppelter, aus zwei Reihen bestehender Pfauenwedel auf; seltener treten an die Stelle der Pfauenfedern auch 3 Straußenfedern.

Ehe ich zu den weiteren Ausführungen über die anderen Zieraten des heute gebrauchten Helmes, der Mauerzinne und den Lilien komme, die ja erst eine spätere „Zugabe“ sind, muss noch einmal die Leiter auf den ältesten Grabsteinen berührt werden. Das älteste Grabdenkmal eines Lützow soll ein Stein gewesen sein, der für einen Marquard Lützow in der Kirche zu Pritzier errichtet war und der die wohl mit Recht angezweifelte Jahreszahl 1110 getragen haben soll. Er wird wohl richtiger aus dem Jahre 1410 stammen. Dieser Stein ist beim Umbau der alten Kirche leider zertrümmert worden, eine Beschreibung desselben ist jedoch überliefert. Auf diesem Stein trägt der Ritter in der linken Hand einen kleinen einfachen Schild mit der viersprossigen schrägen Leiter. In den 4 Ecken des Steines findet sich das gleiche Schildchen. Sicher hat die Leiter auf dem Steine eine gerade Form gehabt, wenn auch später entstandene Abbildungen ihr die in dieser Zeit schon übliche Form der Sturmleiter gegeben haben. Ich werde bei anderer Gelegenheit noch einmal auf diesen Stein zurückkommen.

Ein anderer alter Grabstein für den Ritter Johannes Lützow hat ebenfalls in der Kirche zu Pritzier gestanden, bis er vor einigen Jahren nach Tessin gebracht worden ist. Leider ist die Jahreszahl auf dem Stein nicht mehr zu erkennen; er wird ungefähr aus derselben Zeit wie der vorhergenannte stammen, vielleicht ist er sogar ein wenig älter. Professor Schlie weist ihn in seinem Werke über die Kunst- und Geschichtsdenkmäler Mecklenburgs in das Ende des 14. Jahrhunderts. Urkundlich lebte noch 1348 ein Ritter Johannes zu Pritzier. Die Angabe Schlies kann also ungefähr mit dem Tode dieses Ritters übereinstimmen. Im übrigen hat dieser Stein mit dem vorher genannten eine gewisse Ähnlichkeit. Er zeigt die gleichen 5 Wappenschildchen, hier deutlich mit der „geraden“ viersprossigen Leiter.

Der nächstälteste noch gut erhaltene Grabstein ist im Jahre 1578 für Joachim Lützow zu Pritzier († 1556) und seine Ehefrau Anna Meding († 1551) errichtet. Er zeigt schon die linksgelehnte viersprossige Sturmleiter, während sich noch 1588 auf einem Epitaph des Claus Lützow in der Kirche zu Eickelberg und auf einem Epitaph des Lüder Lützow in der Kirche zu Gr. Salitz vom Jahre 1599 die viersprossige rechtsgelehnte gerade Leiter vorfindet.

Man sieht also, dass feste Regeln in bezug auf die Form der Leiter noch nicht feststehen, wenn auch im allgemeinen mit dem 17. Jahrhundert bei der Wiedergabe des Wappens auf Grabsteinen, in Wappenbüchern usw. die Sturmleiter zur Geltung kommt. Hier spielt natürlich die Ausführung durch den Zeichner, den Steinhauer, den Stecher usw., wohl auch die Angaben des Auftraggebers eine große Rolle.
Ich kehre nunmehr zu der Helmzier zurück. Wir haben im Vorhergehenden auf den beiden Siegeln die einfache Form eines Vogelfluges bzw. von Federn gesehen. Wenn wir davon ausgehen, dass die eigentliche Helmzier auf den Schmuck des Turnierhelmes (Topf- oder Kübelhelm) zurückzuführen ist, so zeigen diese beiden Helmzierden sicher die einfachste Art, wie der Ritter seinen Turnierhelm schmückte. Wenn man auch im allgemeinen, soweit es sich darstellen und anbringen ließ - andernfalls wählte man einen anderen leichter herzustellenden Schmuck - hierbei auf das Zeichen des Wappenschildes zurückgriff, so kann ich mir nicht gut vorstellen, dass der zum Turnier gerüstete Ritter Lützow sich eine Leiter auf dem Helm anbringen ließ. Er griff sicher zu einfacheren Dingen und griff voraussichtlich zu Federn, wahrscheinlich zu Pfauenfedern. Auf dem späteren Stechhelm wird die Leiter ebenso wenig angebracht gewesen sein. Wie aber kommt nun eine Mauerzinne auf den Helm, aus der die Pfauenfedern wachsen? Sie ist wohl erst mit dem Wachsen der Heroldszunft, der „bildlichen“ Darstellung der angestammten Wappen nach bestimmten Regeln, hinzugekommen. Man strebte ja an, die Helmzier möglichst mit dem Zeichen des Wappenschildes in Einklang zu bringen. Eine einzelne Leiter neben die ursprünglichen Federn zu setzen, hätte sicher kein schönes Bild gegeben; zum mindesten hätte man wohl zwei Leitern nehmen müssen, zwischen welchen man die Federn einfügte; ein Bild, welches aber ebenso unschön wirkt. Lag es da nicht nahe, die Sturmleiter mit einer Mauerzinne in Verbindung zu bringen und dann der Mauerzinne die Federn aufzusetzen? Sicherlich gehörte zu einer Sturmleiter die zu erstürmende Mauerzinne. Außerdem bildete diese dann, statt eines auf dem Helm liegenden Wulstes eine vortreffliche Verbindung zwischen Helm und Helmzier.

Der Gedanke mit den zwei Leitern auf dem Helm findet sich allerdings auch zuweilen, so z. B. auf dem oben erwähnten Grabstein vom Jahre 1578, und in späterer Zeit bei der Neugestaltung des vermehrten Wappens der Grafen Lützow, hier sogar mit den beiden senkrecht gespaltenen, „halben“ Leitern rechts und links von den Pfauenfedern.

Über die Entstehung der Lilien in der Helmzier vermag ich mir kein rechtes Bild zu machen. Wenn man den oben erwähnten Grabstein von 1578 näher betrachtet, so zeigt sich zu beiden Seiten der Helmzier je ein eigentümlich nach oben strebender Zipfel der sogenannten Helmdecken, der fast genau die Stelle einnimmt, wie die heute gebräuchlichen Lilien. Sind die Lilien aus dem Rankenwerk irrtümlich entstanden oder liegt hier der umgekehrte Fall vor? Dies zu entscheiden, dürfte schwierig sein. Werden die Lilien aber in den Helmschmuck aufgenommen, so müssen sie such die heraldische Lilienform erhalten und dürfen nicht, wie z. B. in dem vermehrten Wappen der Freiherren von Lützow a. d. H. Goldenbow, als natürliche Lilien wiedergegeben werden.

Ich gehe nunmehr zu den Farben über. Wie schon anfangs gesagt, zeigt unser Wappen die schwarze Sturmleiter im goldenen Felde. Die nächsten mir bekannt gewordenen Glasmalereien auch diese Farben. Es sind dies zwei leider nicht mehr erhaltene Fenster in der Domkirche zu Schwerin, sowie ein Fenster in der Kirche zu Gadebusch.

Die ersteren beiden trugen die Jahreszahl 1612, das eine den Namen Hans Lützow (a. d. H. Dutzow), das andere den Namen Veit Hinrich Lützow (a. d. H. Dreilützow). Beide zeigten im golddamaszierten Schild die viersprossige schwarze Sturmleiter. Die Helme trugen die rote Mauerzinne mit den naturfarbenen Pfauenfedern - bei Hans 3, bei Veit Hinrich 5 - zwischen gold und schwarz geteilten Büffelhörnern (!) und silbernen Lilien an grünen Stengeln. Die Helmdecken waren gold und schwarz.

Eigentümlich sind hier die Büffelhörner, richtiger wohl sogenannte Elephantenrüssel ihrer Form nach. Ich habe diese „Zugabe“ zum Helmschmuck nur noch ein zweites mal vorgefunden, nämlich in einem Attest der Balley Sachsen des Deutschen Ritterordens vom 4.3.1802 über die „Ritterbürtigkeit und Stiftsmäßigkeit des Geschlechts von Lützow“. Vielleicht haben die oben erwähnten Fenster hier als Vorlage gedient. Meiner Überzeugung nach wird der Helm hierdurch nur überlastet; ich halte sie auch für gänzlich unbegründet.

Das in der Kirche zu Gadebusch in der sogenannten Lützowen-Kapelle die Jahreszahl 1604 und den Namen Hartich Lützow (a. d. H. Salitz?) tragende Glasfenster zeigt im goldenen Schild die schwarze Sturmleiter - hier eigentümlicherweise „liegend“ und an beiden Enden mit Haken versehen. Auf dem Helm erscheint auf einem schwarzgoldenen Wulst die rote Mauerzinne mit einem Pfauenwedel, der beiderseits von zwei eigenartigen Gebilden begleitet wird, welche man bei einiger Phantasie wohl für Lilien halten könnte. Die Helmdecken sind schwarz-gold.

Neuere Wiedergaben unseres Wappens, besonders in Wappenbüchern zeigen leider mancherlei Abweichungen im Helmschmuck, auf welche näher einzugehen der Raum verbietet.
Es wäre erwünscht, wenn wir uns, da auch den heute noch lebenden freiherrlichen Zweigen der Familie ein vermehrtes Wappen nicht verliehen worden ist, zur Führung eines einheitlichen Wappens in bezug auf den Helmschmuck und die Helmdecken entschließen wollten. Jede Überladung macht den Helm unschön. Die rote Mauerzinne, die drei natürlichen Pfauenfedern und die beiden silbernen Lilien an grünen Stengeln mögen genügen. Die rote Farbe in den Helmdecken ist unbegründet, da der Schild diese Farben nicht zeigt.

Dem Schild des Wappens ist bei der Wiedergabe freie Hand zu geben; ob das Wappen in Gothik, Renaissance oder Rokoko wiedergegeben wird, ist Sache des Zeichners, nur muss die Form des Schildes, des Helmes, der Helmzier und der Helmdecken in einem Stil durchgeführt werden.
(aus dem Lützowschen Familienblatt 1. Jahrgang, Nr. 1, Juli 1922)